Freitag, 25. Juli 2014

Die heilige Diakonin Olympias

Die heilige Diakonin Olympias1


Bekannt und geachtet ist die selige Olympias nicht nur aufgrund ihrer strahlenden Tugenden, sondern ebenso wegen ihres Dienstes als Diakonin, als auch wegen ihrer engen geistlichen Beziehungen mit zwei großen Vätern unserer Kirche, dem heiligen Gregorios von Nazianz und dem heiligen Ioannēs Chrysostomos2. Olympias wurde ungefähr um 365 n. Chr. als Tochter des hohen kaiserlichen Beamten Anicius Secundus in eine durchaus wohlhabende Familie hineingeboren. Ihre schulische Bildung war, ihrer Stellung in der damaligen Gesellschaft entsprechend, ausgezeichnet. Darüber hinaus war sie gesegnet mit einem überaus sanften und gutmütigen Wesen. Doch ihre Mutter und ihr Vater entschliefen frühzeitig. Seitdem war ihre Kindheit überschattet von Schmerz und Trauer um die geliebten Eltern. Gleich darauf nahm sie jedoch ihr Onkel Prokopios in seine Obhut. Dieser war Eparch von Konstantinopel, und seine Gemahlin Theodosia war die Schwester des heiligen Amphilochios von Ikonion3. Theodosia war eine gläubige Christin, die sich fortan liebevoll und sorgsam um die Erziehung des Mädchens kümmerte. Zum großen Segen des jungen Mädchens war Prokopios außerdem ein guter Freund des heiligen Grēgorios von Nazianz, der zu jener Zeit nach Konstantinopel gebeten worden war, um die damals weit um sich greifende arianische Häresie zu bekämpfen. Als man erkannte, dass Grēgorios, der ein wahrer Freund und Hirte der Orthodoxie war, mit seinen Tugenden und seinen Kenntnissen große Erfolge erzielte, und dass er viele irrgeleitete Schäfchen in die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche zurückgeführt hatte, ernannte man ihn um 380 n. Chr., unter Begeisterungsstürmen der Bevölkerung und gegen seinen eigenen Willen, zum Erzbischof von Konstantinopel.
Die junge Olympias lernte im Alter von ungefähr 12 Jahren den heiligen Grēgorios kennen und lieben, pflegte ihn sogar „Vater“ zu nennen. Aber auch er liebte sie väterlich und beriet sie als ihr geistlicher Führer. Dieser große Kirchenlehrer, der zudem den Beinamen „der Theologe“ trägt, führte sie in das spirituelle Leben ein, weckte in ihr die Liebe Christi und stellte somit die Weichen für ihre weitere glorreiche Entwicklung. Als sie im Jahre 386 n. Chr. mit dem Eparchen Nebridios den heiligen Bund der Ehe einging, befand sich der Heilige bereits im Selbstexil. In dieses hatte er sich aufgrund von Intrigen und Machtspielen in Kirche und Adel begeben, um im segensreichen asketischen Leben und in der Einsamkeit seine Erfüllung zu finden. Er schickte ihr aus der Ferne jedoch einen Brief, als ein „Geschenk“ zu ihrer Vermählung, der uns seine Gefühle für sie verdeutlichen, aber auch allen christlichen Frauen dienlich sein kann:
Meine Tochter, zu deiner Hochzeit schenke ich, dein geistlicher Vater, dir dieses Schreiben. Der väterliche Ratschlag ist das größte Gut. Ich weiß, dass du eine wahre Christin sein möchtest. Und eine wahre Christin muss nicht nur eine solche sein, sondern auch so erscheinen. Deswegen erbitte ich dich, gib Acht auf dein Erscheinungsbild. Sei einfach gekleidet. Gold, gefasst mit kostbaren Steinen, sollte nicht Frauen wie dich schmücken. Und umso mehr die Schminke. Es ziemt sich nicht dein Gesicht, das Ebenbild Gottes, zu verunstalten und zu verändern, nur um Anderen zu gefallen. Du sollst wissen, das ist Gefallsucht, bleibe einfach in deiner Erscheinung. Du aber hast dir große und hohe Ziele in deinem Leben gesetzt. Und diese Ziele verlangen von dir Bemühung und Achtsamkeit.... so nur wirst du die hohe Berufung der Ehe erkennen, die es ist, zu Heiligen und Märtyrern zu werden. Trage Sorge dafür, dass du die Früchte des Heiligen Geistes erwirbst. Habe Liebe, Freude, Frieden, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit (Gal 5,22)... In der Ehe soll deine Zuwendung und Liebe lodernd und unvermindert für Jenen sein, den Gott dir gab... Ihr sollt alles miteinander teilen, Freude wie Leid... Auch die Sorgen sollt ihr teilen, denn so wird das Haus4 gefestigt sein.…Auch dieses beachte und höre: habe keinen ungezügelten fleischlichen Trieb. Führe ebenso deinen Gatten dazu, dass er die heiligen Tage respektiert. Denn die Gesetze Gottes sind erhabener als das Ebenbild Gottes“, schreibt der hl. Grēgorios unter anderem an seine geistliche Tochter, zum Wohle ihrer Seele und für das gute Gelingen ihrer Ehe.
Doch bereits nach wenigen Monaten fand dieses Ehebündnis ein jähes Ende, denn Nebridios verstarb unerwartet, wie uns der heilige Chrysostomos später in einem seiner Briefe an Olympias bestätigt. Vom heiligen Agiorit Nikodēmos und dem Kirchenhistoriker Palladius wird erwähnt, dass Olympias trotz dieser kurzen Ehe ihre körperliche Reinheit bewahrt hatte, denn „zu Zeiten, als sie noch jungfräulich war, verstarb ihr Ehegatte, so blieb sie Jungfrau und war nun auch Witwe“5. Die Lehren und das Beispiel ihres geistlichen Vaters Grēgorios, sein heiliges christliches Leben, das Kreuz seiner Verfolgungen und seine Kämpfe gegen die furchtbaren Häresien, wie auch seine leuchtenden Tugenden, hatten die Seele der Witwe Olympias entscheidend geprägt. Und ihr weiteres Leben sollte nunmehr in vielem dem seinen gleichen.
Als Kaiser Theodosios I. vom Tode des Nebridios erfuhr, wurde ihm der üble Gedanke geboren, die junge und durchaus wohlhabende und vielumworbene Witwe mit einem seiner Verwandten namens Elpidios zu vermählen. Doch Olympias weigerte sich vehement, diesem Wunsch Folge zu leisten, weil sie längst einen bedeutsamen Entschluss gefasst hatte: Für sie war ihre frühe Witwenschaft ein deutliches Zeichen Gottes: Sie wollte der Welt entsagen und ihr Dasein nunmehr Gott und ihren Mitmenschen widmen. Der Kaiser nahm mitunter ihr ganzes Vermögen in Beschlag, um ihre Standhaftigkeit zu brechen, doch auch dieses führte keinesfalls zum Erfolg. Und noch viele andere Druckmittel setzte er ein, um ihre Meinung zu ändern. Unter anderem verbot er ihr, ihrer liebsten und teuersten Beschäftigung nachzugehen, dem Kirchengang! Sie schrieb ihm in einem Brief: „Wenn mein König gewollt hätte, dass ich mit einem Gatten lebe, dann hätte Er mir den ersten nicht genommen... Er befreite mich vom schweren Joch (der Ehe) und gab meiner Seele das gute Joch der Enthaltsamkeit“. Zu guter Letzt blieb Theodosios nichts anderes übrig, als seine Niederlage anzuerkennen und alle Erlasse gegen die Jungfrau annullieren zu lassen. Ihre Liebe zu Gott und Seiner Kirche konnte nicht bezwungen werden, wie ein Feuer loderte sie ihrem Herzen und war ihr ein geistiges Schutzschild, das sie im Glauben festigte und ihre Schritte führte.
Sodann übergab sie der Kirche ein immenses Vermögen, das für Wohltätigkeiten und übrigen Ausgaben, wie z.B. für den Bau von Kirchen und Klöstern, verwendet wurde; sie besaß nicht nur Münzen, sondern unter anderem Gold und Silber, zahlreiche Grundstücke und Herrenhäuser. Der hl. Patriarch Nektarios, der Vorgänger des heiligen Patriarchen Ioannēs Chrysostomos, weihte Olympias zur Diakonin, obwohl sie kaum das dreißigste Lebensjahr vollendet hatte. Es war üblich, vor allem ältere Frauen, die verwitwet oder zeitlebens in Jungfräulichkeit gelebt hatten, mit diesem heiligen Dienst zu betrauen. Doch ihr christlicher Lebenswandel und ihre großen geistlichen Verdienste um die Kirche, wie auch ihre beachtliche Bildung und ihre frühzeitige Witwenschaft verhalfen ihr zu dieser ehrenvollen Aufgabe in verhältnismäßig jungen Jahren.
Dieser göttliche Dienst der Diakoninnen, der bis zum Ende des Byzantinischen Reiches eine weit verbreitete Institution der Heiligen Orthodoxen Kirche darstellte, war ein nicht unwichtiger Bestandteil des orthodoxen Kirchenlebens. Die Diakoninnen widmeten sich vor allem den geistigen und körperlichen Bedürfnissen und der Berichtigung möglicher Verfehlungen der Christinnen der Gemeinde. Sie betreuten aufopfernd die Kranken und Bedürftigen, gaben den guten Rat in familiären und spirituellen Angelegenheiten. Sie überbrachten den weiblichen Gemeindemitgliedern Botschaften und Beschlüsse des örtlichen Bischofs, waren die Stütze der Witwen und der Waisen. Eine andere wichtige Aufgabe war der Beistand während der Erwachsenentaufe von Frauen, deren Ölsalbung sie übernahmen. Außerdem kümmerten sie sich oftmals um die umfassende Katechese der Gläubigen gemäß der orthodoxen Lehre, um das Hüten der Tore während des Gottesdienstes und um die Platzeinweisung von Frauen und Kindern im Kirchenraum. Mitunter geschah es, dass sie christliche Märtyrer in den Verliesen besuchten, sich um ihre Wunden kümmerten und ihnen Trost zukommen ließen. Und in einigen Fällen kam ihnen die große Ehre zuteil, die heilige Kommunion Christinnen am Sterbebett zu spenden, wenn diese sich nicht mehr in die Kirche begeben konnten. Obwohl sie als ein Teil des Klerus angesehen und entsprechend während eines Gottesdienstes zu Diakoninnen geweiht wurden, kann man in keinem Fall von einer Frauenpriesterschaft sprechen, denn sie erfüllten weder dieselben Aufgaben wie die männlichen Diakone, noch wurden sie jemals zu Presbytern oder gar zu Bischöfen geweiht. Außerdem entsprach die Diakonie, den geschichtlichen Quellen zufolge, keiner Vorstufe zur Priesterweihe, sondern stellte vielmehr eine unabhängige Institution dar, die für den Beistand der Gemeindemitglieder geschaffen worden war. Und auch das natürlich immer im Sinne der Anweisungen des örtlichen Bischofs. Die Diakoninnen sollten „vom Heiligen Geist erleuchtet, aber auch rein sein von jeglicher Besudelung des Leibes und des Geistes, um das zu vollziehende Werk würdig erfüllen zu können“6.


Die selige Olympia widmete sich nun mit Frohmut voll und ganz diesem ehrwürdigen Dienst innerhalb der heiligen Kirche des Herrn. Sie entwickelte sich zu einer der bedeutendsten byzantinischen Diakoninnen. Von Palladius wird erwähnt, dass sie solch eine Anerkennung genoss, dass selbst der Erzbischof Nektarios in Kirchenangelegenheiten ihre Meinung einzuholen pflegte. Ihre Menschenliebe, die Sanftmut und die Verachtung des Geldes, das sie großzügig an die Bedürftigen verteilte, ihre Demut und Einfachheit... Alles Gute war dieser schönen Seele eigen.
Als der heilige Patriarch Nektarios um 397 n. Chr. entschlief, wurde der heilige Ioannēs Chrysostomos nach Konstantinopel berufen, um den patriarchalen Thron zu besetzen. Der Grund dafür war sein guter Ruf, der ihm längst vorausgeeilt war. Nachdem er zunächst die bestmögliche schulische Ausbildung genossen und für kurze Zeit als Rhetoriker an Gerichten (Advokat) gearbeitet hatte, verließ er die trügerische Welt, um in einem kleinen Kloster, und später in einer Höhle in der Einsamkeit, als Asket zu leben. Als er wieder nach Antiochia, in seine Heimat, zurückkehrte und man seine geistliche Höhe erkannte, weihte man ihn zuerst zum Diakon und später zum Presbyter. Dort hinterließ er ein großes Werk, denn er bemühte sich stets mit Eifer darum, die spirituellen und materiellen Bedürfnisse seiner geistlichen Herde auf vielerlei Art zu stillen. Seine glühenden Predigten erwärmten und erleuchteten die Herzen der Gläubigen, die ihn deswegen mit dem Beinamen „Chrysostomos“ (Goldmund) schmückten. Nachdem der heilige Ioannēs zum Patriarchen des Neuen Roms gewählt wurde, traf er auf die Diakonin Olympias. Sie sah in ihm den guten Hirten und geistlichen Vater, der den heiligen Grēgorios in ihrem spirituellen Leben ersetzen würde, und diente ihm fortan in all seinen kirchlichen und mildtätigen Werken wie einst die heiligen Schülerinnen unserem Heiland Christi. Der Heilige beriet sie stets väterlich und kümmerte sich um ihr Seelenheil. Es verband sie ein Band der geistlichen Liebe und gegenseitigen Anerkennung.
Nebst der Hagia Sophia wurde mit dem Vermögen der Olympias ein Kloster erbaut, in dem sie selbst gottgefällig lebte und als Äbtissin ungefähr 250 Nonnen um sich herum versammelte. Das klösterliche Leben war geprägt von Gehorsam, Gebet und Metanie. Außerdem wurden dort ein Krankenhaus und ein Fremdenhaus errichtet. Die Nonnen und auch andere fromme Frauen widmeten sich aufopferungsvoll den kranken und mittellosen Mitmenschen und bemühten sich um deren körperliche wie seelische Gesundheit. Mit besonderer Sorgfalt bereitete Olympias eigens die bescheidene Kost des asketischen Hierarchen Chrysostomos zu, was sie als eine besondere Ehre empfand. Das übrige Vermögen, das ihr noch geblieben war, spendete sie überaus großzügig den Bedürftigen. Ihr Name wurde im ganzen Byzantinischen Reich durch ihre Gütigkeit bekannt. Ihre Spenden erreichten selbst abgelegene Gemeinden, die sie oft um Hilfe baten.
Auf diese Tagen der Freude und Seligkeit folgten jedoch Tage der Tränen und der bitteren Versuchungen. Die aufrichtigen und ermahnenden Predigen des heiligen Ioannēs Chrysostomos zeigten zuweilen gerechtfertigte Strenge gegenüber Sünden und Verfehlungen auf, vor allem der Privilegierten und Reichen. Damit machte sich der heilige Kirchenvater die machtvolle Kaiserin Eudoxia zur Feindin, die Gemahlin des Kaisers Arcadius, die der Heilige in einer seiner Predigten wegen einer boshaften Aneignung des Feldes einer mittellosen Frau, und in einer anderen wegen der selbstverliebten Errichtung einer Statue ihrer selbst, gerügt hatte.
Die reuelose Eudoxia fand im Bischof Theophilos von Alexandrien, dem der Erzbischof von Konstantinopel wegen früherer Angelegenheiten schon längst ein Dorn im Auge war, einen loyalen Verbündeten. Gemeinsam führten sie eine regelrechte Hetzjagd gegen den heiligen Ioannēs und seine Freunde. Der asketische und strenge Hierarch mit der reinen Lebensführung und der Barmherzigkeit dem armen Volk gegenüber hatte die Missgunst auch anderer Kleriker geweckt, die entweder unenthaltsam oder gar unsittlich und luxuriös ihre Tage verbrachten, während die übrigen Christen über ihr skandalöses Verhalten empört waren und im heiligen Ioannēs einen tadellosen Kleriker und Hirten sahen. So kam es in der Konstantinopel zu Vorfällen, die wohl eher Überfällen der barbarischen Völker glichen, wie der Heilige selbst in einem seiner Briefe beschreibt: „...drang auf einmal eine Schar von Soldaten in die Kirchen ein, und zwar am großen Samstag, als der Tag sich schon zum Abend neigte, trieb den ganzen Klerus, der zu mir hielt, mit Gewalt hinaus, und umstellte bewaffnet den Altar... Viele wurden aber auch verwundet und so hinausgetrieben, und voll Blutes wurden die Taufbrunnen, vom Blute errötete das geweihte Wasser... Das Volk wurde auf das Feld hinausgetrieben, die große Menge der Einwohnerschaft hielt sich außerhalb der Stadt auf, leer waren an dem hohen Festtag die Kirchen, mehr als vierzig Bischöfe, die nämlich mit mir in Gemeinschaft standen, wurden samt dem Klerus und Volk mutwilliger Weise und ohne Ursache hinausgedrängt. Überall Jammern und Wehklagen und Tränenströme...“7 Schließlich wurde der Heilige mit Intrigen, Verleumdungen und falschen Synoden abgesetzt und verbannt.
Die zarte Seele der Diakonin Olympias hatte diese schrecklichen Vorfälle und Intrigen miterlebt und war zutiefst bestürzt. Übermannt von den tragischen Ereignissen fiel sie in tiefe Trauer um die Leiden des Heiligen und um den schlechten Zustand der Kirche. Sie erlebte nach der Angelegenheit mit dem heiligen Grēgorios zu ihrer Jugendzeit nun zum zweiten Male die ungerechte Verfolgung und Entbehrung ihres geistlichen Vaters.
Der heilige Chrysostomos schrieb ihr mehrere wunderbare Briefe aus dem Exil, um sie über seine Lebensverhältnisse in Kenntnis zu setzten, um sie zu beraten und vielmehr noch, sie liebevoll zu trösten: „Erkenne aus der andern Seite auch, wie groß der Nutzen der Leiden selbst dann ist, wenn man nicht um Gottes Willen leidet, (Niemand halte Das für Übertreibung!) gleichwohl aber leidet und zwar mit Starkmut und Ergebenheit, den Herrn für Alles preisend.“
Aus ihnen erfahren wir auch sehr viel über die Tugenden, das Wesen, die Werke, die Versuchungen und das geistliche Leben der Diakonin: „Ich weiß um die Erhabenheit deiner Gedanken, ich weiß um die Stärke deiner frommen Seele, ich weiß um die Fülle deiner Besonnenheit, und um die Kraft deiner Philosophie8... Wie weit würde es mich führen, und wie umfangreich müsste die Erzählung werden, wenn man aufzählen wollte die Widerwärtigkeiten, die du von früher Jugend an bis jetzt zu ertragen hattest: von Hausgenossen und von Fremden, von Freunden und von Feinden, von Verwandten und von Nichtverwandten, von Vornehmen und von Menschen aus dem gemeinen Volke, von Gewalthabern und von Menschen ohne Amt und Würden, und endlich von Solchen, die zum Klerus zählten! Wollte man überdies noch der Beweise anderer Art gedenken, durch die du diese Tugend bewährt hast, und die Leiden aufzählen, die dir nicht von andern Menschen, sondern von dir selbst sind angetan worden: man würde finden, dass du dich stärker und ausdauernder als Stein und Erz und Stahl bewiesen hast. Deinem Leibe, der von Natur so zart und wehleidig und unter Verweichlichungen jeder Art großgezogen war, hast du durch vielfache Züchtigungen so zugesetzt, dass es kaum besser mit ihm steht, als wenn er schon ganz ertötet wäre; und du hast dir eine solche Menge von Krankheiten aufgeladen, dass weder die Kunst der Ärzte noch die Kraft der Arzneien noch die sorgfältigste Pflege dagegen ankommen kann, und dass du beständig von Schmerzen geplagt wirst.“9 Des weiteren rühmt er die Reinheit ihres Lebens, ihre Geduld im Leiden, ihre Enthaltsamkeit „am Tische“, ihr Wachen im Gebet während der Nachtstunden, wie auch ihre „Ungeziertheit der Gewänder, der Fußbekleidung, der Gangart“.
Doch sie verband nicht nur die Liebe Christi, die reine Freundschaft und Eintracht, sondern auch die Fülle der Versuchungen, das gesegnete Kreuz, das der allbarmherzige Herr zur Vervollkommnung ihrer Seele zugelassen hatte. Olympias kannte die Vielzahl seiner christlichen Tugenden und wusste nur zu gut um seine Unschuld. Deswegen verteidigte sie ihn öffentlich und unterstützte ihn in der Verbannung durch finanzielle Mittel, mit denen er sich unterhalten und überdies unter anderem Sklaven freikaufen und Bedürftigen beistehen konnte. Sie weigerte sich außerdem konsequent, trotz Schmeicheleien und Drohungen, mit seinem unrechtmäßigen Nachfolger Arsakios in Kommunion zu treten. Ihre Feinde suchten eine günstige Gelegenheit, um die im Volk beliebte und einflussreiche Diakonin ebenfalls beseitigen zu können. Als es später zu einem Brand in der Hagia Sophia kam, der aus Missgunst den Anhängern des Chrysostomos zur Last gelegt wurde, ergriffen sie eben diese Gelegenheit und bezichtigten auch Olympias der Brandstiftung. Sie, die in dieser prachtvollen Kirche so viele teure Jahre aufopferungsvoll gedient hatte, sollte nun die heiligen Gemäuer dem Feuerwahn übergeben haben! Welch unfassbare Vorstellung und dreiste Unterstellung! Trotzdem wurde sie ohne Gerichtsverfahren und Beweismittel zu einer hohen Geldstrafe verurteilt, Soldaten zerrissen ihre Kleider und das ehrwürdige Kloster wurde von Attikos, dem Nachfolger von Arsakios, aufgelöst. Zahlreiche Demütigungen und Bestrafungen musste sie über sich ergehen lassen, bis man sie ebenfalls ins Exil schickte. Ihr Verbannungsort war Nikomedia. Doch auch dort verzagte sie nicht, weil sie erfüllt war von der tröstenden heiliger Gnade, die durch die heilenden Versuchungen eher zunahm, als zu schwinden. Geduldig hob sie das Joch der Bedrängnis und setzte das geistliche Werk als wahre Gottesmagd fort.
Im Jahre 407 n. Chr. entschlief der heilige Kirchenvater Chrysostomos im Exil in Komana, ermüdet von den vielen asketischen Mühen und Krankheiten, um dem Herrn im Himmel zu begegnen. Doch die letzten Worte, die seine Lippen verließen waren: „Gelobt sei der Herr für Alles“. Olympia erreichte bald diese traurige Nachricht im Exil. Dieser harte Schlag sollte der letzte in ihrem kurzen Leben sein, das sie gänzlich Gott gewidmet hatte, weil sie allein das wahre Leben begehrte. Wenige Monate später, im Juli des Jahres 408 n. Chr., übergab auch sie ihre heilige Seele Gott unserem Schöpfer, um in das wahre Leben überzugehen.
Aus der Überlieferung erfahren wir noch folgende übernatürliche Ereignisse: Die heilige Diakonin Olympias erschien nach ihrer Entschlafung dem Mētropolit von Nikomedia und bat ihn darum, ihre heiligen Gebeine ins Meer zu werfen. Dieser erfüllte tatsächlich ihren Wunsch, weil er davon überzeugt war, dass es sich nicht um einen Trug des Widersachers handelte. Die Ströme brachten die heiligen Gebeine bald ans gegenüberliegende Vrochthous. Indes waren einige Anwohner dieses Ortes durch göttliche Erscheinungen über die Ankunft der Reliquien in Kenntnis gesetzt worden. Sie nahmen die heiligen Gebeine mit der gebührenden Ehre in Empfang und brachten sie in die Kirche des heiligen Thomas. Dieses Gotteshaus wurde jedoch zwischen 616 und 626 n. Chr. von den Persern niedergebrannt. Die selige Äbtissin des Klosters der heiligen Olympias, Schwester Sergia, fand die Reliquien unter der Amtszeit des Patriarchen Sergios I. (610-638 n. Chr.) abermals im Meer auf. Es ist nicht überliefert worden, ob diese von jemanden wieder ins Wasser geworfen worden waren oder ob es sich dabei um ein Zeichen Gottes handelte, Der diese wertvollen Schätze auf diese Weise für die Gläubigen erhalten wollte. Doch ein Wunderzeichen war in jedem Falle, dass das Meereswasser um die heiligen Gebeine herum blutgetränkt war. Zahlreiche Priester überführten sie mit großer Ehrerbietung in das neue Kloster der heiligen Olympias, das von Justinus I. erbaut worden war. Während der Überführung floss immer noch reichlich Blut aus den heiligen Gebeinen, die durch die Gnade Gottes sehr viele Wunder unter den Gläubigen wirkten.
Die heilige Orthodoxe Kirche feiert das Gedenken der Seligen und Bekennerin Olympias jährlich am 25 Juli/ 7 August.


1gr. Ολυμπιάς oder neugr. Ολυμπιάδα (Olympiada)
2Übersetzt auch Johannes Chrysostomos oder Goldmund genannt
3Der heilige Amphilochios von Ikonion, gefeiert jährlich am 23 November/ 6 Dezember
4gemeint ist hier die Familie
5 s. heiliger Nikodēmos Agiorit, Synaxaristes der zwölf Monate, dritter Band. Verlag Domos (Δομός), 2005
6s. Chrysostomos Migne Band 47, Zitat 513-532
7Chrysostomos, An Innocentius von Rom. Erster Brief.
8Philosophie, gr. Φιλοσοφία = Liebe zur Weisheit

9Chrysostomos, Zweiter Brief an Olympias

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