Freitag, 24. Januar 2014

”Leben im Geist” (Ausschnitt) -Hl. Theophan der Klausner


Wahres Glück des Menschen besteht im Leben in und nach dem Geist. Die feine Hülle der Seele dient als Mittlerin zwischen ihr und dem Leib und als Werkzeug der Verständigung untereinander und mit der Welt der Heiligen und Engel. Ihr Zustand kann vom Licht erfüllt, aber auch verfinstert sein.
Ich wollte auf die am Ende des letzten Briefes gestellte Frage eingehen, aber da inzwischen der Tag Ihres Engels herankam, wollte ich diesen Anlass zu meinen Segenswünschen nutzen.
Vornehmlich wünsche ich Ihnen Gesundheit, weil dies die Voraussetzung für den Erwerb aller Güter ist, die der Mensch für gut hält, sich an ihnen zu ergötzen oder sie zu genießen. Wie beschränkt sind bei einem Kranken und Gelähmten die Möglichkeiten zur Freude, wo doch alle Empfindungen sich in einem anormalen Zustand befinden. Eine Ausnahme bilden lediglich die geistlichen Segnungen. Sie unterliegen nicht der Abhängigkeit von dem jeweiligen Gesundheitszustand und können erfahren werden trotz körperlicher Leiden. Die Märtyrer haben selbst unter Qualen echte Freude empfunden und nicht nur davon gesprochen, sondern sich wahrhaftig gefreut.
Doch abgesehen davon, was eigentlich soll man wünschen? Gewöhnlich wird von Glück gesprochen, so wünsche auch ich Ihnen Glück. Aber was ist damit gemeint?! Hat doch bisher noch niemand definiert, was Glück und wer glücklich ist. Nach meinem Verständnis empfindet derjenige Glück, der sich glücklich fühlt. Und genau dies wünsche ich Ihnen, wenn ich Glück wünsche. Ich möchte, dass Sie sich allezeit glücklich fühlen. Was führt dazu? Darüber wird unter den Menschen viel gestritten und unterschiedlich reagiert, sodass man es kaum analysieren kann. Ich aber möchte Ihnen in aller Stille sagen, dass Sie, solange Sie nicht im Geiste leben, auch nicht auf das Glück warten sollten. Das seelische und körperliche Leben vermittelt im günstigen Fall etwas, was dem Glück ähnelt, aber es ist vergänglich und schwindet nur all zu bald. Hinzu kommt noch jenes auf und ab zwischen Seele und Körper, das aus den leidenschaftlichen Gedanken, Begehren und Empfindungen entsteht und doch bei aller Intensität wegen des Giftes der Leidenschaften nur eine
Betäubung gewährt, die das Leiden vergessen lassen will, eben wie Opium; aber Schmerzen und Leiden des Herzens bleiben. Schmerzen im Herzen gehören untrennbar zu jenem Leben. Der Geist erhebt sich über die Grenzen aller Unruhe und führt den in Ihm Ruhenden, weil Er ihn Seine Wohltaten schmecken lässt wahrhaft und beständig in den Zustand des Glücks.
Wie denn? Sollen dadurch Segenswünsche unterbleiben? Ich meine, nein, das wäre zu wenig. Wenn unser Leben mit diesem Dasein enden würde, wäre es wohl angebracht zu sagen: Seien Sie gesund und bleiben Sie glücklich. Da es aber so nicht endet, sondern sich noch nach dem Grab fortsetzt und erst dort wirkliches Leben wird, kann ich somit nicht umhin Ihnen die Fülle der Segnungen zu wünschen, damit Sie sich danach ausstrecken und so glückselig werden. Mögen Sie auch dort selig sein. Dies ist es, was ich aus tiefster Seele vornehmlich Ihnen wünsche und den Herrn darum bitte, dass Er Sie uneingeschränkt auf den Weg wahrhaftigen Lebens führen und in das Reich Seiner Seligkeit aufnehmen möge.
Dabei drängen sich recht harte Bedingungen in Ihr Bewusstsein. Es sind gewiss entscheidende Bedingungen, aber müssen sie auch hart sein? Dazu möchte ich zunächst ganz allgemein feststellen, sie sind es, und wiederum auch nicht, je nachdem, wie jemand von seiner Kindheit an gestellt ist; unter diesem Urteil meine ich, dass sie für Sie nicht hart sind. Sie richten sich ja schon danach. Doch haben Sie Acht darauf und weichen Sie nicht zurück.
Mir kommt noch der Gedanke, Ihnen zu Ihrem Festtag Konfekt zu schicken, aber ich weiß nicht recht, ob ich richtig wähle. Ich werde es versuchen.
Wenn Sie sich erinnern, haben wir einmal schon über ein feines, sehr feines Element gesprochen, das noch zarter ist als Licht, man nennt es Äther. Natürlich kommt es nicht auf den Namen, sondern auf das Bewusstsein seiner Existenz an. Ich bekenne, dass es dieses allerfeinste Element gibt, es durchdringt alles und kommt überall hin, bildet die letzte Grenze des Materiellen. Ich meine dabei, dass in diesem Element alle seligen Geister, Engel und die Heiligen Gottes schweben, die bekleidet sind mit einem Gewand aus diesem Element. Davon gestaltet ist auch die Hülle unserer Seele (unter diesem Wort sollten Sie den Geist verstehen, Der die Seele unserer menschlichen Seele ist).
Die Seele selbst, also der Geist, ist immateriell, aber ihre Hülle ist aus diesem zarten nichtstofflichen Element gewebt. Unser Körper ist grob, aber jene Hülle der Seele ist am allerfeinsten und dient als Mittler zwischen Seele und Körper. Durch sie hindurch wirkt die Seele auf den Körper ein und der Körper auf die Seele. Dies nur so nebenbei. Behalten Sie den Gedanken im Gedächtnis, dass die Seele eine allerfeinste Hülle hat und diese Hülle auch unsere Seele wie sonst bei allen Geistern umschließt. Daraus können Sie mühelos den Schluss ziehen, dass überall dieser allerfeinste Stoff, aus dem diese Hüllen bestehen und in dem alle Geister schweben, Mittler für die Gemeinschaft unserer Seelen und jener Geister ist.
Wir wollen nun diese Vorstellung verlassen und unsere Aufmerksamkeit den üblichen Dingen unter uns zuwen-den. Sie wohnen jetzt in Moskau, halten sich in den Wänden Ihrer Wohnung auf, von allen Seiten umgeben von Gebäuden, und, wohin auch immer Ihr Auge schweifen mag, es stößt auf Hindernisse überall: Viele Objekte erschweren die Schärfe und den Weitblick Ihrer Augen. Wenn Sie sich auf einer Kugel über Moskau befänden, sähen Sie ungehindert nicht nur die Stadt unter sich, sondern auch ihre nähere Umgebung. Flögen Sie höher hinauf, würden Sie einen noch größeren Gesichtskreis haben; strengten Sie Ihre Sehschärfe an und erhöben sich noch höher, geriete Sankt Petersburg, Paris, London u.a. in Ihr Gesichtsfeld. Und zwar deswegen, weil Ihre Seh-fähigkeit schärfer wurde und kein Hindernis mehr den Horizont verstellt.
Lassen Sie uns nun wiederum zu den Heiligen Gottes gehen. Jenes Element, von welchem die Rede war, durchdringt alles und stößt nirgends auf Hindernisse. Der Sonnenstrahl scheint durch das Glas hindurch, und jenes Element durchdringt Glas, Mauern, die Erde und alles andere. Wie sie nun alles durchdringt, so können auch jene, die in ihr schweben, alles durchdringen wenn es nötig ist. Man denke daran, wie der Heiland den oberen Saal betrat, in dem die Apostel bei geschlossener Tür sich versammelt hatten. Sie wohnen an einem bestimmten Ort, doch werden Sie, wenn es Ihnen befohlen oder erlaubt wird, durch jenes Element, wohin auch immer, getragen, ohne auf ein Hindernis zu stoßen. Wenn nötig, werden Sie versetzt, besteht dazu keine Veranlassung, bleiben Sie auf Ihrem Platz, schauen in alle Richtungen, wo Sie sind. Sobald sich Ihre Augen auf die Erde richten, will sagen auf uns Sünder, so sehen Sie auch uns… freilich nicht unseren groben Leib, mit dem Sie nichts zu schaffen haben, sondern unsere Seele selbst wie sie ist, nicht unmittelbar, sondern mittels der Seelenhülle, die verwandt ist mit ihrer Hülle und jenem Element, in dem Sie leben; denn der Zustand der Seele spiegelt sich getreu in ihrer Hülle wider.
Lassen Sie mich jetzt zu einem anderen Bild übergehen. Es sitzen zwei beieinander und unterhalten sich. Die Seele eines jeden hat ihre je eigene Verfassung. Ein jeder wird nicht erkennen können, was in dem anderen vorgeht wegen des groben Vorhangs des Leibes, hinter dem sich die Seele verbirgt. Engel und Heilige, werden, wenn ihr Blick auf die beiden fällt, deren Seelen sehen, wie sie wirklich sind und was sich in ihnen abspielt; denn wie sie sind und was in ihnen ist, spiegelt sich in ihrer Hülle. Wenn dort heilige Gedanken und fromme Gefühle verborgen sind, wird ihre Hülle hell und licht, bei jedem heiligen Gefühl wird sie auf besondere Weise verklärt, wenn aber Gedanken und Gefühle nicht ganz rein sind, dann ist auch ihre Hülle nicht vom Licht erfüllt, sondern sobald ein unreines Gefühl in ihnen aufkommt, werden sie auf ihre Weise finster, bald als befänden sie sich im Nebel, bald in der Finsternis der Nacht. Würden Sie sich in den Himmel erheben und das Sehvermögen der Engel erhalten, immer noch bekleidet mit diesem Körper, dann sähen Sie den Blick auf die Erde gewandt statt einer verschiedenartigen Menschenmenge ediche helle oder halbhelle, neblige, finstere Schatten, wobei es nicht verwunderlich wäre, dass die vom Licht erhellten alsbald finster werden könnten, wenn sich ihre Seele falsch verhält, aber die zerlumpt gekleideten erschienen im Licht, sobald denn ihre Seele rein ist. Eben das ist die Weise, wie die Himmelsbewohner uns sehen und abhängig von dem, wie sie uns sehen, freuen sie sich über uns oder trauern.
Erlauben Sie nun die Frage: Wie sieht Sie die Heilige, deren Namen Sie tragen, wenn sie jetzt aufmerksamer Sie anschaut, zumal dann, wenn Sie sich umso inniger an sie wenden? Wie sieht Ihr Schutzengel Sie, der sich bei Ihnen ständig aufhält, oder der Herr Selbst, Der mit Seinem Leib zur Rechten des Vaters sitzt, und dennoch nach Seiner Verheißung bis ans Ende unserer Tage bei uns sein wird? Wie Sie gesehen werden, so sind Sie in Wirklichkeit. Ich unterstreiche, dass ich nicht mit dieser Frage Sie zu verwirren gedenke und damit Dunkles über Ihren Festtag bringen will. Vielmehr hoffe ich, Ihnen damit geistlichen Trost und Freude zu spenden. Denn ich will nicht abwarten, dass man Sie vom Himmel finster oder grau in grau sieht. Sie sind noch nicht dem Nebel verfallen, weil man Sie vom Licht umgeben sieht. Zumindest ist mein aufrichtiger Glückwunsch zum Tag Ihres Engels dieser: Mögen Sie stets so sein und werden, dass die Himmlischen Sie im hellen Licht schauen können. Dann werden Sie aus diesem Leben direkt dort zu ihnen hinübergehen. Das
wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen.
* * *
Hl. Theophan der KlausnerDie Hülle der Seele pflegt je nach ihrer inneren Ausrichtung lichthell oder dunkel zu sein. Die verfinsterte Seele sehen die Dämonen.
Ich möchte das Vorangegangene noch ergänzen und berichte aus Erfahrung, dass die Seele in ihrer Hülle präzise das Aussehen annimmt, dem ihre innere Gesinnung entspricht. Zu Lebzeiten des heiligen Andreas, eines Narren um Christi willen, lebte in Konstantinopel ein unverheirateter Priester, der sich im Fasten übte, Eremit und Beter war. Alle ehrten, d.h. verehrten ihn, Als aber der heilige Andreas ihm begegnete, bemerkte er, wie ein dunkler Nebel ihn umschloss. Um seinen Hals wand sich ein Reptil mit der Aufschrift „Schlange der Habgier”. Das also war seine Seele! Doch bislang hatte das niemand gesehen. Die erleuchteten geistlichen Augen des heiligen Andreas nahmen es wahr. Bei den Himmelsbewohnern gibt es noch stärker Verklärte. Wenn wir meinen, dass uns niemand sieht, wie wir in Wirklichkeit sind, dann gilt: Uns sieht eine unschätzbar große Zahl von Augen. Schauen Sie zum Himmel hinauf mit all seinen Sternen! Augen, die auf uns gerichtet sind, gibt es noch mehr.
Doch wir selbst können, wenn schon nicht sehen, so doch feststellen, wie wir eingestimmt sind. Es ist das Gewissen, ein unbestechlicher Richter, der uns zu Hilfe kommt. Eine Zeit lang mögen wir es unterdrücken, aber ihm gelingt es immer wieder, sich aus dem Joch des Schweigens zu befreien und die Stimme zu erheben, selbst bei durchaus nicht Gewissenhaften. Doch die Stimme der Ehrenhaf¬ten ist stets rein und lauter. Das Gewissen wird Stimme Gottes im Geiste des Menschen. In ihm reflektiert sich, welche Meinung die Himmlischen über uns haben oder wie sie uns sehen. Wenn also das Gewissen sagt, dass wir rein sind in allem vor Gott und den Menschen, dann spiegelt sich dieses Zeugnis des Gewissens wie ein Licht über unserer Seele, und alle schauen uns vom Himmel als Lichtgestalten. Wenn nun aber das Gewissen uns rügt, dass wir unrein sind, dann pflegen wir als Finsterlinge angesehen zu werden. Zuerst sehen uns entsprechend der inneren Einstellung die Schutzengel, wer finster und wer voller Licht ist.
Außer den Engeln und Heiligen nehmen uns, für uns selbst unsichtbar, die Mächte der Finsternis wahr. Sie können, wenn unsere Seele licht ist, sie aus Furcht vor dem Licht nicht schauen … Erst dann, wenn die Seele finster zu werden beginnt, richten sie ihre Blicke auf sie. Sie huschen in Scharen hin und her, und sobald sie eine verfinsterte Seele bemerken, beginnen sie diese sofort wahllos zu attackieren und durch Einflüsterungen bald hierhin, bald dorthin zu treiben, durch leidenschaftliche Wünsche und emotionalen Aufruhr. Dieser stürmische Bereich, von dem ich gesprochen habe, dass er sich zwischen Seele und Körper illegitim bildet, ist der Ort, wo die Dämonen heimlich der Seele auflauern und sie aufzuwirbeln beginnen wie der Wind den Staub. Sie versuchen sich sacht an lichte Seelen heranzustehlen, werden aber zurückgeworfen und durch die Strahlen des Lichts wie von einem Pfeil vertrieben.
In Antiochien gab es einen Zauberer Kyprian. Ein junger Mann bat ihn, durch seine Beschwörung eine hübsche junge Christin, Justina, ihm geneigt zu stimmen, weil er sie zur Frau begehrte, sie ihn aber nicht erhörte. Kyprian schickte mehrfach ihr die in seinem Dienst stehenden Dämonen, damit sie in ihr die Liebe zu dem jungen Mann entfachen sollten. Jene schlichen heimlich zu ihrer Wohnung, konnten aber nicht eindringen, sie wanden sich hin und her und sagten, dass ein Licht sie von dort aus dem Inneren trifft und verbrennt, denn jene Justina war wie eine Wolke in Licht gekleidet, und es gelang ihnen nicht, sie zu schauen.
Dies ist ein gutes Beispiel dafür, welcher Art das Licht in einer Seele ist, wenn sie als Christin lebt, lauter in ihrem Gewissen und dem Herrn zugetan. Bei einem reinen Gewissen erfüllt Gottesfurcht die Seele und behütet sie unverletzt. So besucht auch der Herr, Der überall ist und alles erfüllt, jene Seele, und sie wird ganz vom Licht umstrahlt, ja leuchtet wie ein Stern.
Wenn sie sich Lauterkeit und Licht erhält, geht sie in jene Welt, nachdem sie ihren Leib als solche voller Licht verlassen hat. Der heilige Antonius unterhielt sich einst mit seinen Schülern und sah einen Lichtstreifen, wie er sich zum Himmel emporhob. Während er gespannt darauf schaute und sich Klarheit verschaffen wollte, was das wohl sei, sagte er schließlich: „Das ist der heilige Ammon, der zum Himmel auffährt in Begleitung der Engel”.
Seht und eifert dem nach. Auf euer Äußeres vertraut nicht, denn es ist möglich, dass etwas anderes in euch sichtbar wird, und das andere haben wir in der Tat. Natürlich ist es besser zu sein als nur zu scheinen. Ich erinnere an die Worte des heiligen Basilios des Großen: Der Körper ist unser; was außer dem Körper wir noch haben, angefangen mit der Kleidung, ist unser Umfeld. Und was sind wir? Wir sind die Seele (mit dem Geist). Nun sollten wir uns von allem abwenden, was außer uns ist, auch von unserem Leib. Es gilt, sich zu sammeln, in sich zu gehen, zu analysieren und zu entscheiden: Was für eine bist du, Mütterchen Seele?
Das bringt uns zu dem zurück, von dem wir etwas abgewichen sind, nämlich zu der Entscheidung, so zu sein, dass wir im Geiste leben und durch ihn die Seele und den Körper beleben, so wie all unser Äußeres.

Das geistbewegte Gebet
Der Geist Gottes legt dem Menschen das Gebet in sein Herz. Der Mensch kann es wünschen, suchen und dankbar annehmen; jedoch kann er es nicht hervorbringen. Er weiß nur, dass es nicht sein eigenes Gebet ist, obwohl es sich in ihm vollzieht. Er lässt es zu, ist bei ihm aber nicht aktiv. Der Betende lebt in Gott und wird dadurch bereit, dass Gott auch in ihm lebt. Gott wird mit ihm eins. Der Heilige Geist macht den Menschen zu einem Kind Gottes, das ruft: “Abba, lieber Vater” (Röm 8,15). Der Mensch wird zum Zustand der Seraphim erhoben. 

deutsch-orthodox.de

 

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