Freitag, 27. Dezember 2013

Über die Menschwerdung des Wortes Gottes(Auszüge)- hl. Athanasius der Große

Der Logos (das   Wort   Gottes) erkannte nämlich, daß das Verderben  unter den Menschen nicht  anders behoben werden könnte als durch   seinen   (eigenen) unbedingten Tod. Nun aber konnte der Logos, weil unsterblich und Sohn des Vaters, nicht sterben. Deshalb nimmt er einen sterbensfähigen Leib an, damit dieser durch seine Teilnahme am Logos, dem alle unterstehen, zum Tod für alle geeignet würde, dank dem einwohnenden Logos unvergänglich bliebe und nunmehr für alle das Verderben in der Gnade der Auferstehung ein Ende fände. Daher hat er den Leib, den er angenommen, als eine Weihegabe und als ganz makelloses Schlachtopfer in den Tod gegeben und verscheuchte alsobald von allen seinesgleichen den Tod durch das stellvertretende Opfer. Denn weil erhaben über alle, hat natürlich der Logos Gottes mit der Hingabe seines Tempels und der leiblichen Werkstätte ein Entgelt für das Leben aller entrichtet und die Schuld in seinem Tod bezahlt. Und so bekleidete der unverwesliche Sohn Gottes, durch den gleichen Leib mit  allen in Gemeinschaft getreten, natürlich auch alle mit der Unverweslichkeit in der Verheißung der Auferstehung. Denn auch die Auflösung  im Tode hat  keine Macht mehr über die Menschen wegen des Logos, der unter ihnen in dem einen Leib gewohnt hat. Wie wenn ein mächtiger König in irgendeine große Stadt kommt und darin auch nur in einem Hause Wohnung nimmt, sicher eine solche Stadt aller Ehre gewürdigt wird und kein Feind oder  Räuber sie mehr anfällt und unterjocht, wie ihr vielmehr wegen  des Königs, der darin auch nur in einem Hause wohnt, alle Aufmerksamkeit geschenkt wird, so war es auch der Fall beim König aller Dinge. Denn damit, daß er in unsere Heimat kam und in einem unserem Leibe gleichen Körper wohnte, hat jede feindliche Nachstellung gegen die Menschen ein Ende genommen. Auch das Verderben des Todes, das ehedem unter ihnen wütete,war vorüber. Das Menschengeschlecht wäre verloren gewesen, wenn nicht der Herr und Heiland aller, der Sohn Gottes, gekommen wäre, um dem Tode ein Ende zu machen.
   Vor allem aber geziemte dies wahrhaft große Werk der Güte Gottes. Denn wenn schon ein König ein Haus oder eine Stadt,  die er erbaut hat und dann wegen der  Gleichgültigkeit der Einwohner von Räubern überfallen sieht, durchaus nicht ihrem Schicksal überlässt, sondern als sein Werk verteidigt und rettet, wobei er nicht auf die Lässigkeit der Bewohner, sondern auf das sieht, was sich für ihn ziemt, so hat noch weit weniger der göttliche Logos des allgütigen Vaters das von ihm erschaffene Menschengeschlecht, das auf dem Weg  zum Verderben war, seinem Schicksal überlassen. Vielmehr hat er den verschuldeten Tod mit der Opferung seines eigenen Lebens hinweggenommen,hat  die Nachlässigkeit der Menschen durch seine Lehre wieder gut gemacht und die ganze Lage der Menschen durch seine Macht wieder in die rechte Ordnung gebracht. Das kann man auch beglaubigt hören von den Gottesmännern, die um die Person des Heilandes waren, wenn man in ihren Schriften die Worte liest: „Die Liebe Christi drängt uns, indem wir also urteilen: Ist einer für alle gestorben, so sind füglich alle gestorben. Nun aber ist Er (Christus) für alle gestorben, damit wir nicht mehr uns leben,  sondern dem,  der für uns gestorben und von den Toten auferstanden ist, unserem Herrn Jesus Christus“. Und wieder: „Doch sehen wir den kurz unter die Engel Erniedrigten, Jesum, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt wegen seines Todesleidens, womit er durch die Gnade Gottes für einen jeden den Tod kosten wollte“.
Dann gibt er auch den Grund an, weshalb kein anderer als Gott der Logos selbst  Mensch werden musste, wenn er sagt: „Denn es ziemte sich für ihn, um dessentwillen alles und durch den alles ist, viele Kinder zur Herrlichkeit zu führen und deshalb den Urheber ihres Heils durch Leiden zu vollenden“. Mit diesen Worten 
gibt er ja zu verstehen, dass es keinem  anderen   zukam, die Menschen aus dem verhängten Verderben   zu erretten als Gott dem Logos, der sie auch im Anfang geschaffen hat. Dass sodann der Logos einen Leib angenommen, um ihn als Opfergabe für die ihm  ähnlichen Leiber darzubringen, auch das deuten sie an mit den Worten: „Da also die Kinder Fleisch und Blut gemeinsam haben, so nahm er in ähnlicher Weise auch daran teil, damit er durch den Tod den  überwinde, der die Gewalt des Todes hatte, nämlich den Teufel, und die erlöste, die im Banne der Todesfurcht ihr Leben lang unter  dem Joch der  Knechtschaft  standen".  
Denn mit der Opferung seines eigenen Lebens hat er dem Gesetz wider uns ein Ende gesetzt und uns einen neuen Anfang des Lebens gegründet, indem er uns die Hoffnung der Auferstehung gab. Weil ja der Tod durch Menschen[Menschenschuld]  über die Menschen die Macht erhalten hatte, deshalb ist wieder durch die Menschwerdung Gottes des Logos des Todes Macht gebrochen worden und die Auferstehung des Lebens eingetreten.  Sagt   ja doch der Christusträger: „Denn wie durch einen Menschen der Tod, so durch einen Menschen die Auferstehung von den Toten. Wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden usw.“.   
Jetzt sterben wir nicht  mehr, um gerichtet zu werden, sondern mit der Bestimmung zur Auferstehung   harren wir auf die gemeinsame Auferstehung aller, die Gott zu seiner Zeit schauen lassen wird, er, der sie auch bewerkstelligt und gewährt hat. Das also ist die erste Ursache der Menschwerdung des Erlösers. Doch auch aus folgendem mag man erkennen, dass seine gnädige Ankunft unter uns wohlbegründet war.

Als  Gott,  der   über  alles  die  Macht  hat,  das  Menschengeschlecht  durch  seinen eigenen Logos erschuf, da wusste er alsobald auch um die Ohnmacht seiner Natur und dass diese nicht imstande wäre, von sich aus den Schöpfer zu erkennen noch überhaupt von Gott eine Erkenntnis zu gewinnen, da er ja unerschaffen, sie aber aus dem Nichts hervorgegangen ist, er unkörperlich, die Menschen aber irgendwo hienieden mit einem Leib gebildet worden sind und überhaupt den geschöpflichen Wesen ein großer Mangel anhaftet, um den Schöpfer zu begreifen und zu erkennen. So erbarmte er sich wieder in seiner Güte des  Menschengeschlechtes und wollte den Menschen nicht die Erkenntnis  seiner vorenthalten, damit sie   nicht ein Dasein führten, ohne einen Gewinn davon zu haben.  Was haben denn die Geschöpfe  für einen Gewinn davon, wenn sie ihren Schöpfer nicht erkennen? Oder wie wären sie vernünftig, wenn sie den 
Logos des Vaters nicht erkannten, in dem sie doch entstanden sind? Denn zwischen ihnen und den vernunftlosen Wesen wäre gar kein Unterschied, wenn sie weiter nichts als irdische Dinge wahrnehmen. Wozu hätte sie Gott auch erschaffen, wenn er von ihnen nicht erkannt sein wollte? Eben um dieses zu verhüten, teilt er ihnen in seiner Güte sein eigenes Bild mit, unseren Herrn Jesus Christus, und macht sie seinem Bild und  seiner Ähnlichkeit  gleichförmig,  damit sie durch diese das Abbild  erkannten, nämlich den Logos des Vaters (den Sohn Gottes), und durch ihn eine Vorstellung vom Vater gewinnen könnten und  in der Erkenntnis des Schöpfers ein glückliches und wahrhaft   seliges   Leben  führten.  Doch   die   also   angebotene Gnade missachteten ihrerseits die Menschen im Unverstand und kamen so weit von Gott ab und befleckten so sehr ihre Seele, dass sie nicht nur die Vorstellung von Gott vergaßen, sondern auch andere Dinge um Dinge sich einbildeten. Götzenbilder schufen sie sich an Stelle der Wahrheit, das Nichtseiende stellten sie höher als den wahrhaftigen Gott und huldigten der Schöpfung anstatt dem Schöpfer. Und das Schlimmste war noch, dass sie auf  Holzstücke  und Steine,  auf  alle  möglichen Stoffe  und  auf  Menschen die  Gott schuldige Ehre übertrugen  und  noch mehr dergleichen sich  leisteten, wie bereits früher gesagt worden. Ja, so gottlos wurden sie, dass sie  nunmehr gar  Dämonen verehrten und als Götter ansprachen und deren Wünsche erfüllten. Opfer von vernunftlosen Wesen und  Menschenopfer brachten sie ihnen, wie früher erwähnt worden, als schuldigen Tribut dar und ließen sich durch deren Lockungen immer mehr in Fesseln schlagen. Deshalb wurden bei ihnen auch magische Künste gelehrt, und Orakelsprüche da und dort täuschten die Menschen, und alle schrieben die Ursachen ihrer Geburt und ihres Lebens den Sternen zu und allen Erscheinungen am Himmel, ohne an etwas anderes zu denken als an das Sichtbare.   
Überhaupt war alles voll Gottlosigkeit und Sünde, und nur der eine Gott und sein Logos wurden nicht erkannt, obschon er sich den Menschen nicht unbezeugt ließ und ihnen auch nicht nur eine primitive Erkenntnis seiner gab,  sondern sie ihnen auch mannigfach und in vielen Offenbarungen erläuterte.
Genügt hätte ja schon die Gnade unserer Ebenbildlichkeit, um Gott den Logos und  durch ihn den Vater zu erkennen. Da aber Gott die Ohnmacht der Menschen kannte, traf er schon zum voraus auch für deren Gleichgültigkeit Vorsorge, damit sie im Falle ihrer Lässigkeit, von sich aus Gott zu erkennen, Gelegenheit hätten, aus den Werken der Schöpfung den Schöpfer zu erkennen. Da aber die Interesselosigkeit der Menschen immer mehr zu Schlimmerem ausartete, so hatte Gott auch für diese ihre Schwäche vorgesehen und ihnen ein Gesetz gegeben und bekannte Propheten, damit sie bei ihrer Lethargie, zum Himmel aufzublicken und den Schöpfer kennen zu lernen, aus ihrer nächsten Umgebung sich die Belehrung holen   könnten. Denn  Menschen können leichter von ihresgleichen über höhere Probleme Aufschluss erhalten. So war es ihnen wohl möglich, im Aufblick zur Größe des Himmels und in der Betrachtung der in der Schöpfung waltenden Harmonie ihren Regenten, den Logos des Vaters, zu erkennen, der mit seiner allesumfassenden Fürsorge allen den Vater offenbart und eben deshalb allem die Bewegung gibt, damit durch ihn alle zur Erkenntnis Gottes gelangten. War aber das den Menschen beschwerlich, so konnten sie sich doch an die Heiligen wenden und durch sie Gott als den Schöpfer der Welt und den Vater Christi kennen lernen und einsehen, dass ihr Götzenkult Atheismus und aller Gottlosigkeit voll ist. Sie konnten aber dann auch bei ihrer   Kenntnis des Gesetzes von jeglicher Gesetzwidrigkeit ablassen und ein tugendhaftes Leben führen. Denn nicht allein der Juden wegen war das Gesetz da, und nicht bloß ihretwegen wurden die Propheten gesandt. Sie wurden wohl zu den Juden gesandt und von den Juden verfolgt, waren aber für den ganzen Erdkreis eine heilige Lehranstalt für "Theologie und Moral" (wörtlich: „für die Erkenntnis Gottes und das Leben der Seele“). So groß also die Güte und Menschenliebe   Gottes   war,   so   haben   die   Menschen   gleichwohl im Banne der augenblicklichen Lüste und der Vorspiegelungen und Trugbilder der Dämonen sich nicht   zur   Wahrheit bekannt, sondern sich neuen Sünden und Missetaten überantwortet, so dass sie nicht mehr vernünftig erschienen,  sondern ­ nach  ihrem Wandel zu schließen ­ unvernünftig waren.

Wenn nun die Menschen so den vernunftlosen Tieren gleichgeworden waren, wenn der teuflische Trug  überallhin seinen Schatten geworfen und die Erkenntnis des wahren Gottes verfinstert hatte, was hätte da Gott tun sollen? Hätte er zu solch schrecklichem Zustand schweigen, die Menschen der Verführungskunst der Dämonen überlassen und ihnen die Erkenntnis Gottes entziehen sollen? Wozu wäre aber dann der Mensch im Anfange  nach dem Bilde  Gottes   erschaffen worden?  Er  hätte   ja dann  einfach als unvernünftiges Geschöpf  erschaffen  werden sollen, oder aber, wenn vernünftig geschaffen, durfte ernicht   leben wie das unvernünftige Tier. Was hätte es ihm  überhaupt genützt, im Anfang eine Vorstellung von Gott gehabt zu haben? Wenn er nämlich auch jetzt einer solchen nicht gewürdigt werden kann, dann hätte sie ihm 
auch im Anfang nicht gegeben werden sollen. Was aber würde es Gott dem Schöpfer an Nutzen oder Ehre eintragen,  wenn die  von  ihm  erschaffenen Menschen nicht   ihn anbeten,  sondern andere als  ihre Schöpfer wähnen? Gott scheint dann  für andere, nicht für sich die Menschen erschaffen zu haben. Sodann lässt auch ein König, wenn schon nur ein Mensch, die von ihm gegründeten Städte nicht in fremde Hand und 
Herrschaft kommen noch auch zu anderen übergehen, vielmehr gibt er ihnen brieflich Mahnungen,  nicht selten stellt er sie auch durch Freunde zu und erscheint,  wenn nötig, persönlich, um sie dann durch seine Gegenwart anders zu stimmen, damit sie ja nicht unter die Herrschaft anderer geraten und so sein Werk vereitelt würde. Wird nicht noch viel  mehr Gott seine Geschöpfe davor bewahren,  dass sie nicht von  ihm abirren und nichtseienden  Dingen dienen, zumal da eine solche Verirrung ihr Verderben und ihr Ende wäre? Es sollte aber das, was einmal mit dem Bilde Gottes in Gemeinschaft  stand,  nicht  verloren gehen.  Was hatte nun Gott  zu  tun?  Oder  was anders   hatte   zu   geschehen,   als   wieder   eine   Erneuerung   nach   dem   Ebenbilde vorzunehmen,  damit die Menschen  ihn darin wieder erkennen könnten? Wie hätte aber dies geschehen können, wenn nicht das Ebenbild Gottes selbst, unser Heiland Jesus Christus, erschien? Durch Menschen war dies unmöglich, da ja auch sie nach dem Bilde geschaffen sind, aber auch nicht durch Engel, ­ sie sind ja keine Ebenbilder. Deshalb kam der Logos persönlich zu uns, um als Bild des Vaters den ebenbildlich erschaffenen Menschen wiederherzustellen. Dies hätte aber wieder nicht anders vor sich gehen können, wenn nicht Tod und Verwesung beseitigt wurden. Daher nahm er natürlich einen sterblichen Leib an, damit nunmehr der Tod in ihm vernichtet werden könnte und die ebenbildlich erschaffenen Menschen wieder erneuert würden. So war also niemand anders dieser Aufgabe gewachsen als nur das Bild des Vaters.

Wenn z.B. eine auf Holz gemalte Figur durch den Schmutz von außen unkenntlich  geworden ist, so muß derjenige, der in der Figur dargestellt ist, wieder zugegen sein, wenn das Bild in demselben Holz erneuert werden soll; wegen des Bildes wird nämlich eben das Material selbst, auf dem gemalt worden, nicht weggeworfen, vielmehr auf ihm die Figur nachgezeichnet. Ebenso hat auch der allheilige Sohn des Vaters als Bild  des Vaters an unseren Stätten sich eingefunden,  um den nach  ihm  erschaffenen Menschen zu erneuern und ihn, der verloren  war, durch  die  Sündennachlassung wieder zu finden, wie er ja auch selbst in den Evangelien sagt: „Ich bin gekommen, zu suchen und zu retten, was verloren war“. Daher sagte er auch zu den Juden: „Wenn jemand nicht wiedergeboren wird“. Er verstand das nicht von der Geburt aus einem 
Weibe,   wie   jene   vermuteten,  sondern   meinte   die   Seele,   die   in   der Ähnlichwerdung  mit ihm eine Wiedergeburt und Erneuerung erfährt. Wenn nun   der   Götzenwahn   und   der   Atheismus   den   Erdkreis im  Banne hielt und die Erkenntnis Gottes verschwunden war, wer hätte da die Welt über den Vater belehren sollen? Ein Mensch ­ könnte etwa einer sagen. Doch Menschen waren nicht imstande, den ganzen Erdkreis zu durchwandern, noch hatten sie von  Natur   die  Kraft   zu solchem  Laufe. Auch hätten sie nicht  mit der nötigen Autorität   für   ihre   Lehre einstehen können, noch auch hätten sie von sich aus dem Trug­ und Gaukelspiel der Dämonen zu widerstehen vermocht.Wenn doch  alle vom  teuflischen Trug und Götzenwahn beschlagnahmt und verwirrt waren, ­ wie hätte da ein Mensch Herz und Sinn der  Menschen umstimmen   können,   wo   sie   doch   diese   nicht   einmal   sehen konnten? Was man aber nicht sieht, wie vermag man das umzubilden? Doch vielleicht möchte   einer   sagen,   die  Schöpfung  hätte   dazu  genügt.  Doch wenn die  Schöpfung genügt hätte, wären keine solche Übel eingetreten. Die Schöpfung war ja wirklich da; 
und doch blieben die Menschen in demselben Irrwahn  über Gott befangen.  Wer also hätte helfen können, außer dem Logos Gottes, der Weg und Sinn durchschaut, allen Dingen in der Schöpfung Bewegung gibt und durch sie den Vater offenbart. Denn dem, der durch seine Vorsehung und Anordnung aller Dinge über den Vater Aufschluss gibt, dem  kam es  auch  zu,  eben diese  Lehre  wiederaufzufrischen. Wie  hätte  nun dies geschehen sollen? Vielleicht möchte einer antworten, dass es eben durch die nämlichen Mittel möglich gewesen wäre, so dass also wieder durch die Werke der Schöpfung der Aufschluß über den Vater erfolgt wäre, Aber das hätte keine Sicherheit mehr geboten.  
Durchaus nicht! Denn eben das haben ja zuvor die Menschen unbeachtet gelassen und ihr Auge nicht mehr aufwärts, sondern abwärts gewandt. Deshalb kommt er, der den Menschen nützen wollte ­ nämlich durch die Werke des Leibes ­, natürlich wie ein Mensch zu uns, nimmt einen Leib an, der dem jener gleich ist und von unten stammt, damit  die,  welche  ihn nicht  aus  seiner  allumfassenden Vorsehung und Herrschaft erkennen wollten, wenigstens aus den Werken seines Leibes den im Leibe befindlichen Logos Gottes erkannten und durch ihn den Vater.
   Wie nämlich ein guter Lehrer, dem etwas an seinen Schülern liegt, für die, die dem höheren Lehrgang nicht mit Nutzen folgen können, sicher zu einem leichter faßlichen sich herabläßt und sie so unterrichtet,  so hält es auch der Logos Gottes,  wie auch Paulus sagt: ,,Weil die Welt mit ihrer Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkannte, hat es Gott gefallen, durch die Torheit der Predigt diejenigen selig zu machen, welche glauben“. Da sich nämlich die Menschen von der Betrachtung Gottes abgekehrt hatten und, wie im Abgrund versunken, ihre Augen abwärts kehrten und Gott in der Natur und den sinnlichen Dingen aufsuchten und [schließlich] sterbliche Menschen und Dämonen als Götter sich vorstellten, deshalb nimmt der menschenfreundliche und allen gemeinsame Erlöser, der Logos Gottes, einen Leib an und verkehrt wie ein  Mensch unter Menschen, nimmt die Empfindungen aller Menschen an, damit die, die Gott in körperlichen Gestalten wähnen, aus den Werken, die der Herr durch die Werke des  Leibes  vollbringt, die  Wahrheit   einsehen  und   durch   ihn   den  Vater   erkennen möchten. Denn da sie als Menschen auch nur an Menschliches dachten, so sahen sie  
sich von all dem angezogen, worauf ihre Sinne fielen, und von allen Seiten  über die Wahrheit   belehrt.   Mochten   sie   die   Schöpfung   anstaunen,   sie   sahen   in   ihr   ein Bekenntnis   an   Christus   den   Herrn.   Mochten   ihre   Gedanken   für   Menschen eingenommen sein,  so daß sie diese gar für Götter hielten,  so erwies sich aus den Werken des Heilandes, verglichen mit denen jener, nur einer unter den Menschen als Sohn Gottes, der Heiland, da ja jene nichts Ähnliches aufzuweisen haben, was seitens des Logos Gottes geschehen ist. Waren sie aber den Dämonen zugetan, so mußten sie doch,  wenn sie diese vor dem Herrn  fliehen  sahen,   zur  Erkenntnis  kommen,  daß dieser allein der Logos Gottes ist, und nicht auch die Dämonen Götter sind. Stand aber gar ihr Geist im Banne des Totenkultes, so daß sie die Heroen (Helden) und die bei den Dichtern vorkommenden  Götter   verehrten,   so  mußten   sie   angesichts   der 
Auferstehung des  Heilandes   zugeben,  daß  jene Truggestalten  sind und der  wahre Herr allein der Logos des Vaters ist, da er auch der Herr ist über den Tod. Darum ward er auch geboren, erschien als Mensch, starb, stand wieder auf, und mit seinen eigenen Werken stellte er die Taten aller Menschen aller Zeiten in den Hintergrund und in den Schatten,  um die Menschen aus  jedweder Verbohrtheit herauszuführen und sie seinen wahren Vater  kennen zu  lehren,  wie er  auch selbst  sagt:  „Ich bin gekommen, zu retten und zu suchen, was verloren war“.
Denn da einmal der Menschengeist in die Sinnenwelt versunken war, so erbot sich der Logos, im Leibe zu erscheinen, um als Mensch die Menschen an sich zu ziehen, ihre Sinne auf   sich   zu   lenken   und   sie   dann  mit   seinen  Werken,   die   sie   ihn   in  Menschengestalt  vollbringen sehen,   zur   Überzeugung zu führen,  daß  er nicht  nur Mensch, sondern auch Gott, Logos und Weisheit des wahrhaftigen Gottes wäre. Eben das will auch Paulus zu verstehen geben in den Worten: „In der Liebe festgewurzelt und begründet, damit ihr imstande seid, mit allen Heiligen zu begreifen, welches die Breite,  Länge,  Höhe   und  Tiefe   sei,   und   zu  erkennen,   daß   die  Liebe  Christi   alle  Erkenntnis weit überragt, damit ihr erfüllt werdet zu aller Fülle Gottes“
Überall hat sich ja der Logos verbreitet, oben und unten, in der Tiefe und in der Breite, oben in der Schöpfung, unten in der Menschwerdung, in der Tiefe in der Unterwelt, in der Breite in der Welt, und so ist alles von der Erkenntnis Gottes angefüllt. Eben deshalb hat er sich auch nicht unmittelbar nach seiner Ankunft mit der Hingabe seines Leibes in den Tod und mit dessen Auferweckung das Opfer für alle dargebracht, weil er sich damit unsichtbar gemacht hätte. Vielmehr hat er im Leibe sich sichtbar gemacht, indem er in ihm verweilte und solche Werke vollbrachte und Zeichen wirkte, die ihn nicht mehr als Menschen, sondern als Gott ­Logos offenbarten. Zwei Liebesdienste erwies uns der Heiland durch seine Menschwerdung, einmal, daß er den Tod von uns hinwegnahm und uns erneuerte, und daß er, an sich nicht wahrnehmbar noch sichtbar, durch seine Werke sich kundgab und sich als den Logos des Vaters, als den Lenker und König des Alls zu erkennen gab.
Er war ja nicht im Körper eingeschlossen und war auch nicht nur in einem Leibe und nirgends anderswo. Auch gab er ihm nicht die Bewegung, indes das All seiner Wirksamkeit und Fürsorge entraten mußte, sondern als Logos war er ganz auffallend ­ von keinem Ding eingeschlossen, schloß vielmehr alles in sich ein. Und wie   er   sich   in   der   ganzen   Schöpfung   befindet,   außerhalb   des   Alls   mit   seiner Wesenheit, in allem aber vermöge seiner Wirksamkeit, alles anordnend, alles in allem mit seiner Fürsorge durchwaltend, das Einzelne wie das Ganze zugleich belebend, alles umschließend, ohne selbst umschlossen zu werden, nur in seinem Vater voll und ganz   ruhend,   so   belebte   er,   auch   im menschlichen  Leibe  weilend   und   ihn selbst belebend, natürlich auch alles. Und so war er in allem und doch außerhalb des Alls. 
Und wie er an den mit dem Körper vollbrachten Werken erkennbar war, so offenbarte er sich auch in seiner Tätigkeit im Weltall. Es liegt nun zwar auch im Wirkungskreise  der Seele, auch das außerhalb des Leibes Liegende zu betrachten und zu überdenken, aber nicht auch außerhalb des eigenen Leibes eine Wirksamkeit zu entfalten oder das, was ihm fernliegt, durch ihre Gegenwart in Schwingung zu setzen. Nie vermag ein 
Mensch den fernabliegenden Gegenstand seines Denkens nun schon auch zu bewegen und   zu   versetzen.   Wenn   jemand   in   seinem   Hause   sitzt   und   über   die Himmelserscheinungen sich seine Gedanken macht,  so bewegt er damit nicht auch schon die Sonne und dreht er nicht auch schon den Himmel. Vielmehr sieht er bloß die Bewegungen und Vorgänge, vermag aber nicht auf sie einzuwirken. Nicht so also war der Logos  im Menschen.  Denn er war nicht an den Leib gefesselt,  sondern er war Meister über ihn, so daß er sowohl in diesem als auch in allen anderen war und sogar  außerhalb der Dinge und im Vater allein ruhte. Und das Wunderbare daran war das, daß er wie ein Mensch lebte und als Logos alles belebte und als Sohn mit dem Vater war.  Deshalb   litt   er  auch nicht  unter   der  Geburt  der  Jungfrau und  wurde  nicht befleckt, da er im Leibe war, vielmehr heiligte er den Leib. Auch nimmt er nicht an allem Anteil, obschon er in allem ist; vielmehr wird alles von ihm belebt und ernährt. 
Denn wenn schon die Sonne, die von ihm erschaffen ist und von uns gesehen wird, bei ihrem Kreislauf   am Himmel   durch   ihre  Berührung  mit irdischen Körpern nicht beschmutzt wird und durch die Finsternis nicht unsichtbar wird, vielmehr selbst die Körper beleuchtet und reinigt, so wurde noch weit weniger der allheilige Logos Gottes, der Schöpfer und Herr der Sonne, durch seine Offenbarungen im Leibe befleckt. Nein, weil selbst unverweslich, belebte und reinigte er vielmehr den sterblichen Leib. „Denn der keine Sünde beging“, heißt es, „und in dessen Mund keine Arglist gefunden ward“.
Doch wie man hieraus auf seine leibliche Gegenwart schloß, so gab er sich durch die Werke, die er durch seinen Leib vollbrachte, als Gottes Sohn zu erkennen. Deshalb rief er auch den ungläubigen Juden die Worte zu: „Wenn ich nicht die Werke meines Vaters tue, so glaubt mir nicht! Tue ich sie aber, so glaubt, wenn ihr mir auch nicht glauben wollt, meinen Werken, damit ihr erkennet und wisset, daß der Vater in mir ist und ich in dem Vater“.  Denn wie er,  an sich unsichtbar,  aus den Werken der Schöpfung erkannt wird, so sollte, nachdem er Mensch geworden und in einem Leibe verborgen  ist, aus den Werken erkannt werden, daß es nicht ein Mensch, sondern Gottes Kraft und Logos ist, der dies vollbringt. Denn wenn er Teufeln gebietet und sie austreibt, so ist   das   kein   menschliches,   sondern   ein   göttliches   Werk.   Und   wenn   man   ihn Krankheiten heilen sieht, an denen das Menschengeschlecht leidet, wer möchte ihn da noch für einen Menschen und nicht für Gott halten? Denn er heilte Aussätzige, machte Lahme   gehen,   öffnete  Tauben  das  Gehör,  machte  Blinde   sehen und   verscheuchte einfach alle Krankheiten und Gebrechen von den Menschen, woraus ein jeder seine Gottheit   erkennen   konnte.  Wer  würde   denn angesichts  der Tatsache,   daß   er   die Mängel der Geburt ersetzt und die Augen eines Blindgeborenen öffnet, nicht auf den  Gedanken kommen, daß die Geburt der Menschen seiner Macht untersteht und daß er ihr Begründer und Schöpfer ist? Wer nämlich etwas verleiht,  was der Mensch von Geburt auf nicht besaß, der muß doch offenbar auch über die Geburt der Menschen  Herr sein. Deshalb bildete er sich auch, wie er im Anfang zu uns herabkam, seinen Leib aus einer Jungfrau, um allen einen nicht unwesentlichen Beweis seiner Gottheit zu  geben,   insofern der,  welcher  diesen geschaffen,  auch der  Schöpfer  der   übrigen [Leiber] ist. Wer müßte denn angesichts der Tatsache, daß ein Leib ohne Beteiligung eines Mannes aus einer Jungfrau allein hervorgeht, sich nicht sagen, daß der, welcher  in diesem Leibe erscheint, auch Schöpfer und Herr der übrigen Leiber ist? Oder wenn einer auch die Substanz des Wassers verändert und in Wein verwandelt sieht, sollte der nicht einsehen, daß der, welcher das zuwege brachte, der Herr und Schöpfer der Substanz   aller  Wasser   ist?  Deshalb   betrat   er   auch  wie   ein  Herr   das  Meer   und wandelte darauf wie auf festem Lande und gab damit den Augenzeugen einen Beweis seiner Herrschaft über alles. Wenn er dann mit Wenigem eine so große Menge speiste, und wenn er aus dem Mangel  Überfluß schuf, so daß mit fünf Broten Fünftausend gesättigt wurden und noch so viel  übrig blieb, so offenbarte er sich damit doch als nichts anderes denn als den Herrn, der für alles sorgt,.
  (...) Ja, nicht einmal die Schöpfung durfte schweigen, sondern  wunderbar   ereignete   sich   gerade   bei   seinem  Tode   oder   vielmehr   in   der Siegestrophäe über den Tod, nämlich im Kreuze, daß die ganze Schöpfung den, der im Leibe sichtbar war und litt, nicht einfach als Menschen, sondern als Gottes Sohn und Heiland aller bekannte. Als nämlich die Sonne sich wegwandte, die Erde bebte, die Felsen sich spalteten, da erschraken alle. Diese Vorgänge bezeugten aber Christum am Kreuze als Gott und die ganze Schöpfung als ihm Untertan und als die fürchtende  Zeugin für die Gegenwart des Herrn. So also hat Gott der Logos durch seine Werke den Menschen sich geoffenbart. Es dürfte sich aber empfehlen, auch  über das Ende seines Wirkens und Wandels im Leibe zu berichten und anzugeben, welcher Art sein leiblicher Tod gewesen, zumal es sich hierbei um den Hauptpunkt unseres Glaubens handelt und alle Welt davon spricht. So mögest du dann einsehen, daß auch hieraus wenigstens ebenso gut Christus als Gott und Gottes Sohn erkannt wird.
   (...)Danach   kam   es   keinem   anderen   zu,   das   Verwesliche   in   die Unverweslichkeit umzuwandeln, als nur dem Heiland selbst, der auch im Anfang alles aus  nichts   erschaffen hat.  Kein anderer sollte die Menschen nach dem Ebenbilde wieder   erneuern   als   das   Ebenbild   des   Vaters,   und   kein   anderer   das   Sterbliche unsterblich machen als unser Herr Jesus Christus,  der  das Leben selbst  ist;  
   Gewiß, da der gemeinsame Heiland aller für uns gestorben ist, so brauchen wir, die wir in Christus gläubig sind, jetzt nicht mehr des Todes zu sterben, wie ehedem das Gesetz laut drohte; aufgehoben ist ja dies Urteil. Vielmehr werden wir jetzt, da die Verwesung   in   der  Gnade   der  Auferstehung   beseitigt   und   gehoben ist, nur mehr entsprechend unserem sterblichen Leib eine Zeitlang aufgelöst,  wie es Gott  einem jeden festgesetzt hat, um zu einer besseren Auferstehung gelangen zu können. Denn nach   Art   der   in   die   Erde gesenkten   Samen   gehen  wir   bei   der   Auflösung   nicht zugrunde, sondern Saatkörnern gleich werden wir auferstehen, da der Tod in Kraft  der Gnade des Heilandes überwunden ist. Deshalb sagt ja auch der selige Paulus, der allen   ein   Bürge   der   Auferstehung   geworden   ist:   „Dies   Verwesliche   muß   die 
Unverweslichkeit anziehen und dies Sterbliche die Unsterblichkeit.  Wenn aber dies Verwesliche die Unverweslichkeit und dies Sterbliche die Unsterblichkeit angezogen hat, dann wird das Wort der Schrift sich erfüllen: Verschlungen ist der Tod im Sieg! Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?“(...)

Der Logos selber hatte nicht nötig, daß ihm die Tore geöffnet wurden, da er der Herr aller Dinge ist; auch gibt es kein geschaffenes Ding, das dem Schöpfer verschlossen wäre. Wohl aber bedurften wir solcher Öffnung, die er mit seinem eigenen Leibe emportrug. Wie er nämlich diesen für alle dem Tode überantwortete, so bahnte er wieder durch ihn uns den Weg zum Himmel.

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