Dienstag, 26. November 2013

der Geistliche Vater und wie ich den richtigen finde- Teil 1

Artikel aus dem Journal „Foma“, Interview mit Erzpriester Georgij 
Mitrofan.



Vater Georgije, wir werden Ihnen wieder eine Frage
 stellen, die schon einmal auf den Seiten unseres
 Journals zu finden war, aber jetzt sollten wir eine
 detailiertere Antwort geben: Warum braucht man
 einen Geistlichen und welche Rolle hat dieser?
Heutzutage ist es sehr schwierig ein Christ zu sein und nach
 den Geboten Gottes zu leben, ohne dabei die Erfahrung
 anderer Menschen zu betrachten. Denn die religiöse
 Erfahrung beinhaltet vor allem die Kirchentradition. Und die
 Träger dieser Tradition sind die Geistlichen, deren wichtigste
 Funktion wiederum das Hirtentum ist. Dabei möchte ich
 betonen, dass Priester unterschiedlich sein können: Sie
 können klug, dumm, gebildet oder ungebildet sein. Aber sie
 alle sind dazu verpflichtet sich selbst Fähigkeiten anzueignen,
 die Menschen dabei helfen können die Quintessenz der
 kirchlichen Tradition zu verstehen. Die Aufgabe eines 
Priesters in der Funktion als Geistlicher ist – eine Hilfe
 für den Menschen zu sein, damit dieser es lernt sein Leben
 auf eine christliche Art und Weise zu führen. Dabei ist die
 Mehrheit der Menschen in der Regel nicht dazu fähig sich
 ein klares Bild über sich selbst zu machen, und deswegen
 besitzen die Menschen auch nicht die Fähigkeit sich selbst
 seitens der moralischen Prinzipien, die auf kirchlichen
 Kanonen (Regeln) basieren, einzuschätzen. Der Geistliche ist
 dazu
 aufgerufen dem Menschen dabei zu helfen seine Gedanken
 und Gefühle auszudrücken und ihn während der Beichte zu
 unterstützen sich selbst aus Sicht der kirchlichen Tradition
 zu bewerten. Im Allgemeinen sagen wir die Aufgabe eines
 Geistlichen ist eine Hilfe für den Menschen zu sein, damit
 dieser damit beginnt ein kirchliches Leben zu führen, und
 damit er es lernt ein Christ zu sein.

Hier sollte man betonen, dass der Faktor Persönlichkeit
 gerade in der Beziehung zwischen einem Geistlichen und
 einem in der Welt lebenden Menschen eine besondere
 Bedeutung einnimmt. Es ist wichtig, dass Übereinstimmung
 herrscht. Diese ist nicht so wichtig, wenn der Priester die
 Sakramente der Taufe, der Ölsalbung und der Trauung
 durchführt. Aber wenn es um die Beichte geht, dann ist
 diese Übereinstimmung besonders wichtig. Es gibt solche
 Fälle, in denen der Mensch ein Leben auf eine tief geistliche
 Art und Weise führt aber dennoch keinen Geistlichen finden
 kann, weil ein Priester dem einen gefällt und dem anderen
 wiederum nicht. Das ist ganz individuell. Wenn wir über den
 Begriff „Geistlicher“ sprechen – dann ist das immer der
 Priester, der dem einen oder dem anderen die Beichte
 abnimmt. Das ist nicht der geistliche Vater, das ist ein ganz
 anderer Begriff.

Lassen Sie uns diesen Begriff etwas detailierter
 diskutieren.
Der Begriff des geistlichen Vaters wird oft mit dem Begriff des
 Geistlichen vermischt. Ein bedeutender Teil der modernen
 Christen verfügt nicht über ein reelle Erfahrung in Bezug auf
 ein geistliches Leben. Gleichzeitig lesen diese Christen viele
 Bücher, die ich bedingt als Wiederdruck-Ausgaben bezeichnen
 würde. Die Bücher sprechen über das geistliche Leben im
 Kloster und über die geistlichen Tätigkeiten berühmter
 Hirten, wie das z.B. der Ältesten aus dem Optina-Kloster, des
 Heiligen Teofan des Eremiten, oder des Ehrwürdigen
 Johannes von Kronstadt. Natürlich begegnet man in dieser
 Literatur oft dem Begriff „geistlicher Vater“. Wenn wir uns
 dem Ursprung, von dem aus diese Art und Weise der
 geistlichen Führung begonnen hat zuwenden, dann erhalten
 wir folgendes: Diese formiert sich zuerst im Kloster.

Aber was ist ein Kloster? Das ist eine Versammlung von
 Menschen, die das weltliche Leben verlassen und ein Leben
 auf besondere Art und Weise führen. Ihre Haupt-
beschäftigung besteht nicht darin das tägliche Brot zu ver-
dienen, noch ist diese eine Lösung für alltägliche Probleme,
 die in unserer Gesellschaft entstehen, zu finden; sondern
 ihre Haupttätigkeit besteht in ihrer eigenen Verklärung/
 Transfiguration.

Die Aufgabe eines Mönches ist sehr tief greifend. Ein in der
 Welt lebender Christ sorgt sich hauptsächlich darum immer
 seltener solche Gedanken zu haben und zu realisieren, die ein
 schlechtes Verhalten beinhalten. Von diesem Gesichtspunkt
 aus gesehen hat der Mönch eine (zusätzliche) übergeordnete
 Aufgabe. Denn dieser strebt sogar danach seine schlechten
 Gedanken zu hinterfragen. Und eben wegen dieser  strengen
 Anforderung an sich selbst hat ein Mönch das Bedürfnis da-
nach ständig mit einem Menschen zu kontaktieren, der eine
enorme geistliche Erfahrung besitzt, und der in dieser geist-
lichen Tätigkeit Fortschritte gemacht hat.

Nun während man nebeneinander im Kloster lebt, d.h. in
vollkommen identischen äußerlichen Bedingungen, und dabei
noch die Möglichkeit besitzt egal an welchem Tag bei einem
erfahrenen Mönch zu beichten, so bildet sich in der Mönchs-
gesellschaft das Verständnis eines geistlichen Vaters – d. h.
eines erfahrenen Mönchs, der schließlich am Ende die Ver-
antwortung für einen Menschen in einer enormen Stufe auf
 sich nimmt. D.h. man beichtet nicht nur permanent bei ihm,
 sondern man spricht sogar jeden Tag und sogar über seine
 innigsten Gedanken mit ihm. Wobei der geistliche Vater
 seinerseits das Leben des Mönchs sehr streng wieder in die
 richtige Bahnen lenkt. So kann dieser einen Mönch in man-
chen Situationen dazu verpflichten und sogar verlangen, dass
 derselbe sich sogar für Kleinigkeiten gemäß dem Segen seines
 geistlichen Vaters verhalten muss.


Ein weiterer Sinn des Mönchstums besteht sogar darin, dass
 man freiwillig seinen eigenen Willen bricht. Dabei ist es nicht
 so, dass jeder und sogar erfahrene Mönche eine solche aus
 Folgsamkeit auszuführende Aufgabe auf sich nehmen. (Wenn
 wir von der echten geistlichen Vaterschaft sprechen), so trifft
 man diese selten in den Klöstern an. Aber viele Menschen, die
 damit beginnen ein kirchliches Leben zu führen, die sog. Neo-
fiten, wollen sofort und in vollem Maße diese Prinzipien, die
 sie in den Büchern gelesen haben, realisieren.

Ihnen scheint es, dass sie selbst gleich ihren eigenen Willen
 brechen und so vollkommene Mönche sein können, wobei
 sie ihre in der Welt lebenden Gemeindepriester dazu ver-
pflichten so zu sein, wie die geistlichen Väter (Ältesten/ 
Weisen) aus dem Optina-Kloster es waren. Solche Menschen
 beginnen oft damit sich einen geistlichen Vater zu suchen:
 Dabei wechseln sie erst vom einen zum anderen, wobei sie
 damit beginnen bei ihrem Gemeindepriester das Verhältnis,
 das ein geistlicher Vater gegenüber seinem geistlichen Kind
 hat, zu imitieren. Und so kann der Mensch leicht in die Ver-
irrung geraten. Und nun diese geistlichen Ansichten, die aus
 den gelesenen Büchern herrühren, behindern häufig die Her-
ausbildung eines normalen Verhältnisses mit dem Geistlichen
 (d.h. einem Verhältnis, das dem geistlichen Niveau, der
 Lebensweise und den Talenten des Priesters, der einem ge-
geben ist, entspricht).

Hier muss man sagen, dass dies sogar die Priesterdiener des-
orientiert, die sofort die Aufgabe übertragen bekommen geist-
liche Väter für irgendjemanden zu sein. In diesem Fall sollte
 man sich der Worte des religiösen Schriftstellers S. I. Fudelja
 erinnern. Er sprach darüber, dass ein bestimmtes Maß an Dis-
tanz unabdingbar ist, wenn man die Heiligen Väter liest. Man
 sollte nicht den Sinn für die Realität verlieren. Man sollte sich
 selbst nicht komplett mit dem gelesenen Text identifizieren
 und nach diesem Text das eigene Leben aufbauen. Und noch
 ein wichtiges Detail: Sehr oft will man keinen einfachen Geist-
lichen haben, der dem Menschen dabei hilft sich selbst zu ent-
wickeln, sondern man will einen geistlichen Vater, der für das
 gesamte Vorgehen eines Menschen die Verantwortung
 übernimmt. Und dies ist nicht eine christliche, sondern eine
 rein sowjetische rudimentäre Sehnsucht nach einer
 totalitären Autorität. Das ist in unserer Gesellschaft sehr
 stark verbreitet, weil wir jahrzehntelang in einer Atmosphäre
 lebten, zu der das alles möglich machende unpersönliche
 Kollektiv und der alles möglich machende unpersönliche Staat
 alles für uns erledigte und so unseren Lebensweg bestimmte.

Und dies führte bei uns zu einer traurigen Erkenntnis: Wir
 sind es gewohnt nach den Prinzipien von Autoren dieser Welt
 zu leben, wobei uns dies manchmal belastet oder ermüdet.
Aber nichtsdestoweniger sind wir uns der unbestrittenen
 Wahrheit bewusst, dass die Hauptprobleme unseres Lebens
 jemand anderes löst. Das Wertesystem hat sich verändert,
 aber es bleibt die Überzeugung, (und so denken viele
 Menschen noch), dass alles im Leben aufgrund von Befehlen
 „von oben“ geschieht – wobei mit „von oben“ diesmal nicht
 das „irdische Politbüro“ sondern aus das „himmlische
 Politbüro“ gemeint ist.

Soll denn folglich aus diesem Grunde ein Menschen,
 der gerade erst damit beginnt ein christliches Leben
 zu führen, sich selbst keine geistlichen Väter suchen
 sondern sich darum bemühen ständig bei ein- und
 demselben Geistlichen zu beichten?
Genau so ist es. Man kann so sein geistliches Leben beginnen:
 Man sollte regelmäßig eine Kirche besuchen, denn so kann
 man sich in der Kirche einfacher zurechtfinden. Desweiteren
 sollte man sich darum bemühen immer zu einem bestimmten
 Geistlichen zu gehen, denn so ist es einfacher die Beichte
 abzulegen: Man wird von ihm besser verstanden und in die
 richtige Richtung geführt. Und während man immer bei ihm
 beichtet, macht man schließlich geistliche Fortschritte. Man
 sollte noch hinzufügen, dass es auch auf einen Priester eine
 tiefe Wirkung hat, wenn zu ihm ernstere, ausdauernde Gemeindemitglieder kommen, die ihm glauben. Solche
 Begegnungen stimulieren ihn in seinem geistlichen Leben. 


Wenn ich mich selbst betrachte so weiß ich: Manchmal geht
 man ohne einen besonderen Wunsch oder Inspiration zur
 Beichte, und auf einmal kommen zu dir Menschen, die
 bereuen, und die aber sogar intelligenter sind, als man es
 selbst ist, so dass diese einen selbst inspirieren. Das ist sehr
 wichtig. Und nun in so einer reziproken Arbeit des Geistlichen
 und des ständig bei ihm bereuenden Christen können schritt-
weise Verhältnisse entstehen, die das Verhältnis zwischen
 einem Geistlichen und einem geistlichen Kind darstellen.
 Aber dieser Prozess ist langwierig und komplex.


Oft wird man gefragt: Wie soll man einen
 Geistlichen finden? Die Antwort ist, man sollte
 dafür beten. Aber es besteht auch eine andere
 Variante: Die Menschen gehen in die Kirchen.
 Sie versuchen es (einfach). Sie suchen danach:
 Was soll man ihnen raten?

Einen Geistlichen zu finden – das ist eine gegenseitige
 Tätigkeit. Es hängt sowohl viel vom Priester als auch vom
 Gläubigen ab. Der Gläubige und in der Welt lebende Mensch
 sollte verstehen, dass wenn er einen Geistlichen finden will,
 er sich selbst auch geistlich darum bemühen muss. Er sollte
 nicht die Kirche ständig wechseln, und er sollte auch nicht die
 Priester (ständig) abwägen. Sondern wenn man zu einem
 Priester geht,und bei demselben eine nicht geringe Aufmerk-
samkeit empfindet, so sollte man damit beginnen mit diesem
 Priester zu arbeiten. Das sollte man nicht nur einen Monat
 und ein Jahr lang tun, sondern dafür ist viel mehr Kraft not-
wendig. Ein Mensch, der im geistlichen Sinne Fortschritte
 macht, beginnt somit seine Umgebung, als auch seinen Geist-
lichen, mit dem ihn der Herr in diesem Leben verbunden hat,
 besser zu verstehen. Deswegen sollte man nicht den Weg der
 äußerlichen Veränderungen gehen (…).

Vielleicht wird man (mit dieser Strategie) nicht erfolgreich
 sein. In diesem Falle ist es möglich von diesem Priester
 wegzugehen. Denn der Priester kann sich als ein schlechter
 Priester erweisen. Oder er ist ein guter Priester, aber man
 selbst ist mit ihm nicht im Einklang. Es ist möglich zu einem
 anderen Priester zu wechseln, aber das sollte man nur in
 einem Ausnahmefall tun.



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